Von nächtlichen Brechanfällen zur Autorin
Miranda Jehle
Wer kennt es nicht, Applecrumble, dieses wunderbar einfache, englische Ofengericht, heiß gebackene Äpfel mit zimtigen Streuseln obendrauf. Hach, lecker! Obwohl ich mehrfach in England unterwegs war, kennengelernt habe ich dieses Gericht bei meiner Mutter in Hannover. Zentraler Mittelpunkt unseres Lebens war der Küchentisch.
Hausaufgaben und Einmaleins-Lernen fanden auch dort statt.
So wie ich heute lebe, auf einem kleinen Hof mitten im Grünen, sollte ich wohl eher eine Blog über Homestories vom Hof veröffentlichen. Mein Beitrag zum bäuerlichen Leben sind die Bewirtschaftung von acht Hochbeeten und einem Folientunnel. Immerhin. So als Großstädterin, mein ich.
Aber: Ich bringe Menschen gerne etwas bei. Immer schon, als Nachhilfe-Lehrerin, als Zoo-Scout mit Zooführungen.
Allerdings habe ich das Lehramt an der Schule nie als meinen Platz gesehen.
Die Lerntherapie ist mir sicherlich nicht zufällig über den Weg gelaufen und ich habe mich dort als ganze Persönlichkeit wiedergefunden.
In einer Lernpraxis geht es gemütlich zu, stressfrei, spielerisch und gleichzeitig wird konzentriertes Lernen möglich, was vorher unmöglich schien.
Es geschehen manchmal geradezu Wunder und das in einer Welt, wo kaum noch jemand an Wunder glaubt.
Denn ich weiß aus persönlicher Erfahrung: Lernen kann zur extremen Belastung werden.
Ohne Legasthenikerin zu sein, weiß ich, wie sich ein Kind in der Schule mit Lese- und Rechtschreibproblemen fühlen muss.
Schönschreiben und Rechtschreibung waren nicht gerade meine Stärke. Meine Neigung zu Flüchtigkeitsfehlern zeigt sich bis heute und für die Diktate war ich zu langsam. Ein Träumerle und zu ungeduldig für eine schöne Handschrift.
Mit dem Wechsel in die Sekundarstufe zu einer neuen Deutschlehrerin begann mein persönliches Schuldrama. Am Vorabend von Diktaten wurde mir übel und ich musste oft die ganze Nacht brechen.
Da ich dennoch eine sehr gute bis mittelmäßige Schülerin war, schenkten meine Eltern den Stresssymptomen keine besondere Aufmerksamkeit. Immerhin war ich auf dem altsprachlichen Zweig und konnte mir Vokabeln gut merken.
Ab der 10. Klasse wurden keine Diktate mehr geschrieben und fortan waren die Flüchtigkeitsfehler kein sonderliches Thema mehr. Das nächtliche Erbrechen verabschiedete sich. Meine Deutschlehrer haben von meinen Symptomen nie etwas erfahren.
Ich will damit nicht sagen, dass Diktate grundsätzlich unnütz sind. Doch wenn das Ergebnis von Diktaten massives Psychosomatisieren ist, dann sollte die Herangehensweise vielleicht überdacht werden. Es gibt durchaus geniale Abwandlungen dieser Methode.
Ursprünglich auf dem naturwissenschaftlichen Zweig (Diplom-Biologin mit Schwerpunkt Molekulargenetik) wechselte ich erst im zweiten Anlauf ins therapeutische Metier.
Der Stress, den ein Kind wegen Rechtschreibung, Lesen oder Rechnen entwickeln kann, hatte ich am eigenen Leib erfahren. In der Lerntherapeutischen Praxis Überlingen (früher Lernpraxis Schlötter-Heckhorn) ließ ich mich ausbilden und erwarb gleichzeitig einen Abschluss zum „Zertifizierten Legasthenie- und Dyskalkulie-Trainer (EÖDL)“.
Seit 2010 arbeite ich mit Kindern in den Bereichen Legasthenie, Dyskalkulie und Englisch. In einer liebevollen Lernatmosphäre, bei der maßgeschneidert und intensiv die schwierigen Themen nach und nach erobert werden.
Die Kombination aus der Liebe zum Englischen und der Leidenschaft fürs Lernen hat mich veranlasst, dieses Lernwerk zu verfassen.
Ich lebe mit meinem Mann und drei Kindern auf einem kleinen Hof, 20km nördlich vom Bodensee.